Der Tod gehört zum Leben
2014 schrieb ich diesen Artikel für das Reiki Magazin, in dem ich über meinen schweren Motorradunfall berichte, den ich aus heutiger Sicht als Startschuss meines wirklichen, echten Lebens bezeichnete. Es ist auch ein Bericht über eine intensive Strecke auf meinem Weg zu Reiki, das mich bis heute begleitet. In meinem 2021 veröffentlichten Buch habe ich einen weiteren Text veröffentlicht, der die Zeit bis 2019 beschreibt …
Mein Weg zu Reiki
„Der Tod gehört zum Leben“. Ich weiß nicht mehr genau, wann ich diesen Satz zum ersten Mal gehört oder gelesen habe – er beeindruckt mich noch heute. Er ist so einfach und so wahr. Menschen, die Angst vor dem Tod haben, haben oft auch Angst vordem ‘wahren‘ Leben, trauen sich nicht zu, wirklich das zu leben, was sie leben möchten. Andererseits lernte ich Menschen kennen, die ihren Frieden mit dem Tod gemacht haben, die beeindruckend intensiv, klar und respektvoll ihr Leben lebten, es nach ihren Vorstellungen gestalteten und nicht danach fragten, was die anderen davon halten könnten.
„Angst essen Seele auf“ – noch so ein Satz … der Titel eines Spielfilms von Rainer Werner Fassbinder, der sich tief in mein Gedächtnis eingegraben hat. Angst macht uns klein, manipulierbar, sie ist das Gegenteil von Liebe, und sie hat viele Gesichter. Aus der Angst heraus geschehen die schlimmsten Dinge auf dieser Welt.
Lebensfreude und Vertrauen
Wenn ich von meinen Begegnungen mit dem Tod erzähle, mag dies auf den ersten Blick schmerzhaft er-scheinen, beim zweiten jedoch verdeutlichen, wie positiv diese für meine Entwicklung waren. Der Tod hatte großen Einfluss auf meine Lebensführung, mein Selbstbild, meine innere Haltung zum Leben – und er brachte mir letztlich tiefe Lebensfreude und Vertrauen in die Sinnhaftigkeit jeglichen Geschehens.
Schon als Kind konnte ich, ebenso wie meine Schwester, Tote ‘sehen‘ oder besser: spüren, lehnte das aber rigoros ab, da es mir schlicht Angst machte. Diese wurde auch durch meine erste Erfahrung mit dem Tod nicht gemindert: Mein geliebter Hamster, von dem ich in der Nacht geträumt hatte, lag eines Morgens wie eingefroren in seinem Käfig. Mein Vater und ich beerdigten den Armen dann in einer Keksdose im Wald.Lange wollte ich vom Tod nichts wissen – und schob ihn und seine Erscheinungen beiseite.
Ich meinte, mich voll ins Leben gestürzt zu haben, bis dann mein Vater mit gerade mal 49 Jahren „plötzlich und unerwartet“ (wie man das so in Todesanzeigen liest) bei einem Motorradunfall starb. Obwohl schon 27 Jahre alt, war das für mich ein verstörendes Geschehen, das meinen Standpunkt gegenüber meiner bisherigen, gegenwärtigen und zukünftigen Lebensregie stark veränderte – und ganz neue Energien in mir freisetzte, mich plötzlich spüren ließ,was da in mir steckt und wo ich damit hin möchte. Der Tod brachte mich in Bewegung, ließ mich meine Beziehung beenden – und auch andere, notwendige und grundlegende Veränderungen relativ leicht durchziehen. Anders gesagt: Der Tod zeigte mir meine persönliche Lebenskraft.
Und dann waren plötzlich auch diese Phänomene wie-der da: Insbesondere in den ersten drei Nächten nach dem Unfalltod meines Vaters fühlte ich seine Anwesenheit, diesen kühlen Lufthauch auf der Haut, roch Leder und Motorradabgase im Hausflur, nahm diese diffusen Bewegungen hinter und neben mir wahr, konnte mit Vögeln kommunizieren, die plötzlich nicht mehr davon flogen, wenn ich auf den Balkon des elterlichen Schlafzimmers trat, wo sie ein Nest gebaut hatten –oder wenn ich auf der Wiese lag, um mir eine Auszeit vom familiären Chaos zu nehmen.
Nicht nur ich zweifelte zwischendurch an meinem Verstand – und ich hatte wie-der diese Angst, vor dem Tod und seinen Toten, dem Unbegreiflichen. Ich erklärte mir, dass es wahrscheinlich am emotionalen Stress lag, dass ich halluzinierte, mir alles Mögliche einbildete, um so mit dem Schmerz besser umgehen zu können. Wäre da nicht mein Freund gewesen, der die gleichen oder doch sehr ähnliche Wahrnehmungen hatte. Und wäre da nicht meine altbekannte und furchtlose Neugier gewesen, die wissen wollte, was da eigentlich genau los ist.
Helles Licht
So begann ich zu forschen. Als Studierende der Ethnologie in Heidelberg hatte ich Zugang zu reichlich Literatur über den Tod, das Sterben und die unzähligen Arten,damit umzugehen, die es auf der ganzen Welt gibt. Und als langjährige freie Journalistin hatte ich gelernt, auch über eher schwierige Themen zu berichten. Also schrieb ich meine Magisterarbeit zum Thema „Umgang mit Sterben und Tod in Deutschland. Eine Feldstudie beim Hospizverein in Würzburg“ – und zog erst mal wieder zurück nach Hause.
Diese Lebensphase war einerseits geprägt durch die mir selbst auferlegte Verantwortung für die nun ‚kopflose‘ Familie, andererseits durch eine unbändige Lebenslust, die ich in einem ‚Easy-Rider-Dasein‘ auszuleben suchte. Ich verbrachte meine Freizeit auf der Straße, viele Kilometer quer durch Deutschland, Frankreich, Spanien, Tschechien, auf dem Sozius des Motorrads meines neuen Lebensgefährten oder auf Rocker-Parties. Und wer auf der Suche ist, verliert sich dabei auch mal. Wieder war ich mit vielem, aber nicht mit mir und meinem Lebensweg beschäftigt. Und wieder änderte der Tod mein Leben.
20. August 2000. Ein brütendheißer Sonntag, der mich– bevor wir am Morgen, in Jeans und barfuß in Bikerboots, auf die neue Harley stiegen – noch dazu veranlasste, schnell die Ärmel des Hemdes abzuschneiden,so dass der Fahrtwind direkt meine Haut kühlen konnte. ,Ach, das ist Freiheit!‘, dachte ich bei mir. Und dann gemütlich ab in Richtung Fränkische Schweiz.
Bis heute ist nicht geklärt, wie es zu dem Unfall kam. Recherchen der Polizei weisen darauf hin, dass wir überbremsten, das zwar langsam fahrende, dennoch nicht mehr zu bändigende Motorrad in Richtung des entgegenkommenden Traktors samt seiner zwei voll beladenen Anhänger rutschte, ich unter ihm landete und, nachdem der Traktor mich überrollt hatte, mich dort verhakte und rund sieben Meter mitgeschleift wurde.
Auf einem Polizeifoto sehe ich mich später angelehnt an dem riesigen Traktorreifen auf der Straße sitzen, ganz so als sei alles in Ordnung. Ich weiß, dass ich keine Schmerzen hatte, Sanitäter und einen Hubschrauber landen sah und mich wunderte, was denn eigentlich los sei, dass alle um mich herum so aufgeregt waren. Rechterhand lag mein Freund auf der Straße, wach und inmitten von viel Blut, und als ich ihm auf seine verzweifelte Frage nach meinem Befinden antwortete, es ginge mir gut, plötzlich alles dunkel wurde. Und dann war ich weg.
Liebe und Leichtigkeit
Erst viel später kamen die ‚Bilder‘ wieder, die, wie ich heute weiß, so oder in ähnlicher Form Teil vieler Nahtod-Erfahrungen sind. Meine Perspektive hatte sich geändert, und ich sah die Unfallstelle von oben, aus der Sicht eines Vogels, der auf einem Baum sitzt. Und nachdem ich mir sicher war, dass mein Freund gut versorgt ist,und ich nichts mehr zu tun hatte, drehte ich mich weg, fühlte mich rasend schnell nach oben gezogen und sah mich innerhalb von Sekundenbruchteilen einem unglaublich hellen Licht gegenüber.
Ein bisher so nicht gekanntes Gefühl der Wärme, Geborgenheit, Sicherheit,Schmerz- und Sorgenfreiheit, Freude, Liebe, Leichtigkeit breitete sich in mir, in meinem fast formlosen Sein aus. Ich fühlte mich wie eine ‚Licht-Energie-Kugel‘, die hochkonzentriert und doch völlig frei in sich ruht – und gleichzeitig in Verbindung mit allem Sein ist.
Heute nenne ich das den Zustand des All-Eins-Seins, den man in sehr guten, doch eher seltenen Momenten auch hier auf der Erde erleben kann. Ein erfüllter, gelassener, wunschloser Zustand, den ich keineswegs aufgeben wollte.
Doch dann überraschte mich ein leichter Schlag auf die Schädeldecke und ließ mich zurück in Richtung Erde trudeln. Ich fühlte mich wie ein ab-stürzendes Vögelchen, das sich um sich selbst drehte, dann auf der Erde landete und plötzlich ganz heiße Krallen hatte – der Asphalt schlug Blasen durch die Hitze an diesem Hochsommertag. In dieser Wahrnehmung verwischten sich wohl die Grenzen der Welten …
Rückweg ins Leben
Wirklich wach wurde ich dann wieder auf der Intensivstation. Ich erinnere mich noch an diese erste intensive Angst, dass ich mein linkes Auge verloren haben könnte, weil ich nichts sah, als ich die Augen aufschlug. Doch es waren nur die Schwellungen. Polytrauma war die Diagnose – es sah also nicht so gut aus. Gebrochene bzw. angebrochene Brustwirbel hielt ich für die heikelste Sache, weil das hätte bedeuten können, wenn die Knochen nicht halten bzw. nicht wieder zusammenwachsen würden, dass ich den Rest meines Lebens im Rollstuhl hätte verbringen müssen.
Dort, in diesem blendendweißen, zärtlichen Licht hatte ich erfahren, dass ich wieder zurück muss auf die Erde, meine Zeit war noch nicht abgelaufen, mein Leben noch nicht vorbei. Seitdem weiß ich, dass Angst – und vieles andere – eine Illusion ist, obwohl sie auch mich immer mal wieder packt. Was das in aller Konsequenz bedeutet, wurde mir erst in den folgenden zwei Jahren, die ich für den Rückweg in mein ’normales Leben‘ brauchte, klarer – und wird es noch heute.
Während ich also in verschiedenen Reha-Zentren das Laufen wieder erlernte, verstand ich allmählich, um was es beim Menschsein gehen könnte. Und ich habe aus der anderen Welt einen „Auftrag“ mitgebracht – noch so eine Merkwürdigkeit, von der viele berichten, die ein Nahtoderlebnis hatten. Für mich geht es zum einen darum, jedem Menschen, der es wissen möchte, mitzuteilen, dass es den Tod zwar als Ende des irdischen Seins, also des physischen Körpers gibt, nicht jedoch als Ende unseres eigentlichen Seins. Wir gehen ’nur‘ zurück, nach Hause, lösen uns auf im und werden wieder Teil des kosmischen oder göttlichen Seins. Angst vor dem Tod ist demnach unnötig.
Zum zweiten besitzen wir (noch) unvorstellbare Kräfte, die jeder Mensch in sich finden und nutzen kann – wenn er sich, dem Leben, seiner inneren Stimme vertraut, und wenn er zulassen kann, dass diese ‚Selbstwirksamkeit‘, dieser ‚innere Arzt‘ tätig werden darf. Wenn wir uns dafür interessieren, wie wir diesen ‚Gesundmacher‘ und ‚Lebensgestalter‘ fördern und unterstützen können, wie wir unser Leben selbst in die Hand nehmen können, werden wir auch erfahren, welche Techniken und Methoden es gibt und welche davon die jeweils Richtige ist. Reiki ist eine– und meine Wichtigste.
Mein Reiki
Ich habe auch nach diesem zweiten, noch intensiveren Zusammentreffen mit dem Tod mein Leben radikal verändert. Ich machte mich wieder auf die Suche – allerdings nicht, wie beim letzten Mal, im Außen, sondern im Inneren, in der Tiefe. Ich wollte wissen, „was die Welt zusammen hält“ (Goethe), was ich da ‚Oben‘ erlebt hatte, was an diesen Erinnerungen, den Bildern aus meinem Nahtoderlebnis, dran ist und wie es anderen, die diese Erfahrung gemacht hatten, ergangen war. Und vor allem wollte ich wissen, was ich tun kann, um nicht mit dem Rollstuhl durchs Leben fahren zu müssen.
Und dieses Mal begann ich zu finden. Ich fand Bücher, Techniken, Lehrer, las über Selbstheilung, machte Aus- und Fortbildungen. Ich begann meine berufliche Neuorientierung mit der Ausbildung als Heilpraktikerin für Psychotherapie, lernte Hypnosetherapie, verschiedene Entspannungsverfahren, lernte das Wissen aus meinem Studium nochmal ganz anders zu betrachten – und schon früh in der Nachunfallzeit, im Jahr 2001, begegnete mir Reiki. Bis heute mein wichtigstes Standbein und mein größter Lehrmeister, auch wenn ich eine Vielzahl unterschiedlichster, wertvoller Aus- und Fortbildungen gemacht habe.
Mein Reiki. „Einfach, effektiv, ehrlich“, so fasse ich es heute zusammen. Es erklärt so vieles – und lässt doch so viel Raum, dass jeder seine eigene Wahrheit behalten und leben kann. Es ist unkompliziert in der Anwendung, direkt, ein Quell an Impulsen und Inspiration, tiefgründig und nachhaltig, sanft und kraftvoll in der Wirkung.
Reiki verbindet sich mit jedem anderen Wissen, wenn man das möchte. Und so trug ich als „Jägerin und Sammlerin“ mittlerweile einiges an traditionellem und modernem Heilwissen zusammen (und tue das noch), um es schließlich in ‚meinem‘ Intuitiven Reiki zu einem neuen Ganzen zu verbinden. Mittlerweile durfte ich Hunderte von Menschen mit Reiki begleiten und in Reiki ausbilden. Welch ein Geschenk des Lebens – oder des Todes? – an mich, dass ich das tun darf!